Wo bleibt ein Seesicherheitsgesetz? Teil 2

 

Die Verabschiedung des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) beendete keineswegs die Diskussioen um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, der mit dem LuftSiG heraufbeschworen worden war. Die Folgezeit war durch einen entschlossenen Widerstand gekennzeichnet:

  • 10.04.2005: Wenige Wochen nach Inkrafttreten des LuftSiG wird bekannt, dass Innenminister Otto Schily ein Seesicherheitsgesetz (SeeSiG) plant. Dieses Gesetz soll es der Bundeswehr ermöglichen, Terrorangriffe von See her abzuwehren.
  • August 2005: Sachstandseinschätzung zum Seesicherheitsgesetz durch die Marineführung. Darin heißt es, dass es weitestgehend gemeinsame Vorstellungen zu notwendigen Szenarien und Ausbildungsmaßnahmen zwischen Marine/Flotte und Bundespolizei See gebe. Das Bundesministerien der Justiz, der Verteidigung und für Verkehr sowie das Auswärtiges Amt stimmen darüber überein, dass für eine umfassende verfassungsrechtliche Lösung für das Seesicherheitsgesetz notwendig ist.
    Während die Bundesregierung eine Regelung für den Bund anstrebt, sperren sich die Bundesländer (insbesondere Niedersachsen und Schleswig-Holstein) dagegen und streben eine eigene Lösung an.
  • 09.11.2005: Mündliche Verhandlung zu einer Verfassungsbeschwerde, die vier Rechtsanwälte, ein Patentanwalt und ein Flugkapitän gegen die §§ 13 bis 15 des LuftSiG eingereicht hatten.
  • 11.11.2005: Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wird verabschiedet. Darin heißt es: „… Wir werden nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz prüfen, ob und inwieweit verfassungsrechtlicher Regelungsbedarf besteht. In diesem Zusammenhang werden wir auch die Initiative für ein Seesicherheitsgesetz ergreifen.“
  • 15.02.2006: Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheidet, dass § 14 Abs. 3 des LuftSiG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Dieser elementare Teil des Gesetzes regelte das Verfahren, nachdem ein Flugzeug, das als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, abgeschossen werden darf.
  • Dezember 2006: Nach Medienangaben hat die Bundesregierung einen neuen Entwurf des LuftSiG erarbeitet. Darin soll der Abschuss eines Flugzeuges erlaubt sein, wenn ein „elementarer Angriff auf Gemeinschaftsgüter“ festgestellt wird.
  • 28.12.2006: SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz erklärt im Deutschlandfunk, seine Partei werde nur eine sehr, sehr enge Änderung des Artikels 35 GG (Amtshilfe der Bundeswehr) mittragen.
  • 2007: Nach Monaten intensiver Arbeit liegt ein abgestimmter Referats-Entwurf für das SeeSiG vor. Damit hatten sich die beteiligten Ministerien auf Arbeitsebene geeignigt.
  • Januar 2008: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Hans-Jürgen Papier, schließt den Abschuss von Passagiermaschinen auch bei einer Grundgesetzänderung aus. Die Garantie der Menschenwürde könne auch mit einer Verfassungsänderung nicht eingeschränkt werden.
  • 09.09.2008: Bundesinnenminister Schäuble erklärt auf der „Handelsblatt“-Sicherheitskonferenz, dass es in der laufenden Legislaturperiode kein Seesicherheitsgesetz mehr geben werde. Dieser Teil des Koalitionsvertrages „werde voraussichtlich nicht mehr erfüllt“. Die verfassungsrechtliche Klarstellung für einen Einsatz der Marine gegen Terroristen, die die Union für notwendig halte, sei mit dem Koalitionspartner SPD nicht zu machen.
  • 26.10.2009: CDU/CSU und FDP verabschieden den Koalitionsvertrag. Das Wort „Seesicherheitsgesetz“ ist darin nicht mehr enthalten. Die Koalition stellt sich hinsichtlichlich der maritimen Sicherheit das Ziel, im Vorgriff auf einen späteren Aufbau einer Nationalen Küstenwache, die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteiligten Behörden zusammenzuführen.
  • 15.12.2009: Die Konrad Adenauer Stiftung führt die Fachtagung „Maritime Sicherheit“ in Berlin durch. Die Tagung erarbeitet Thesen zur maritimen Sicherheit. These 4 stellt das deutsche Dilemma heraus und fordert: „Es bedarf einer rechtlichen Klarstellung der Möglichkeiten der Marine zur Gefahrenabwehr in Küstengewässern und auf hoher See in den Bereichen, in denen die polizeilichen Vollzugsbehörden zwar über die rechtlichen Möglichkeiten, nicht aber über alle notwendigen Fähigkeiten verfügen.“
  • 18.05.2011: Das Bundesministerium der Verteidigung veröffentlicht „Verteidigungspolitische Richtlinien“. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der maritimen Sicherheit sind hierin nicht mehr enthalten. Offensichtlich hat sich die Regierung von CDU/CSU und FDP von diesem Thema zurückgezogen.

Da ein Seesicherheitsgesetz für die gegenwärtige Regierung offensichtlich nicht mehr relevant ist (wie der Koalitionsvertrag zeigt) und diese Fragen für die SPD von jeher unbequem waren, ist es auch nicht verwunderlich, dass entsprechende Diskussionen völlig aus dem politischen Berlin verschwunden sind. Wohl erst ein neuer Terroranschlag, mag daran etwas ändern.

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