Meine Fragen bezüglich des Umgangs der Politik mit dem Seesicherheitsgesetz (SeeSiG) hatte ich auch an Herrn Thomas Kossendy (CDU; Bundestagsabgeordneter; Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung) gerichtet. Diese hatte er an das Rechtsreferat des BMVg weitergeleitet. Und von dort bekam ich eine sehr informative Antwort, die mir die gegenwärtige Situation klargemacht hat. Im Wesentlichen sind es diese Gedanken:
- Um juristische Klarheit über den Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr von terroristischen Bedrohungen aus der Luft und von See her zu erlangen, hatten die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Bundesländer Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen sich bereits im Jahre 2005 für eine Änderung des GG (neben der Klarstellung Art. 35 GG sollte auch Art. 87a Abs. GG geändert werden)ausgesprochen. Dazu konnte aber nicht die notwendige 2/3-Mehrheit gewonnen werden.
- Im Februar 2006 hatte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung gegen das Luftsicherheitsgesetz gefällt, womit auch die Arbeiten am SeeSiG eingestellt worden waren.
- Neben der Verfassungsbeschwerde, die 2006 vom Ersten Senat entschieden worden war, hatten die Bundesländer Bayern und Hessen ein Organstreitverfahren in Bezug auf das LuftSiG in Gang gesetzt. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zuständigkeitsregelung zwischen Bund und Länder, wie sie das LuftSiG vorsieht (den Einsatz der Bundeswehr regelt den Bund; den der Polizei die Länder). Zuständig für das Organstreitverfahren ist nicht der Erste sondern der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 kündigte der Zweite Senat an, den Bereich der Grenzziehung für die Amtshilfe im Falle des LuftSiG vollständig auszuloten. Die Bundesregierung rechnet deshalb mit einer Grundsatzentscheidung.
- Am 03. Mai 2011 fasste der Zweite Senat den Beschluss, das Plenum des Bundesverfassungsgerichts anzurufen, weil er von den Rechtsauffassungen des Ersten Senats, die der im Urteil zum LuftSiG vertreten hat, abweichen will. Damit kann mit einer Grundsatzentscheidung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik gerechnet werden. Nur wann, das weiß derzeit niemand.
Auch wenn diese Vorgehensweise einleuchtend klingt, offenbart sie eins: Die Parteien in Berlin sind nicht in der Lage oder willens, eine Entscheidung zu fällen, um offensichtliche Lücken im Sicherheitssystem der Bundesrepublik zu schließen. Aber anstatt zu diskutieren und sich anschließend zu entscheiden, schauen die Politiker wieder einmal nach Karlsruhe und erhoffen von dort eine Lösung präsentiert zu bekommen. Warum erklären wir die Verfassungsrichter nicht gleich zur Regierung? Das würde in diesen Zeiten viel (Steuer-)Geld sparen.
Auch wenn es anders erscheinen mag – für LuftSiG und SeeSiG ist der Bundesminister des Innern verantwortlich (und nicht das BMVg)! Anstatt diese Probleme anzugehen, beschäftigt sich Herr Friedrich mit der Umbesetzung in Führungspositionen deutscher Sicherheitskräfte. Inwieweit er dabei die Bundespolizei, die Behörde die die Hauptlast in Fragen der Terrorabwehr trägt, stärkt oder schwächt, bleibt abzuwarten. Im gegensatz zu einigen anderen Behörden, ist die Bundespolizei in den zurückliegenden Monaten nicht durch Fehlleistungen und Skandale aufgefallen. Da fragt sich der außenstehende Bürger – warum jetzt die Enthauptung der Bundespolizei?