Das Schicksal der Tarantul nach dem 03.10.1990

Es finden sich leider keine Quellen im Internet, welchen Weg die fünf Tarantul nach der Wiedervereinigung gegangen sind. Deshalb habe ich eine Reihe von ehemaligen verantwortlichen Offizieren gefragt und von Kpt. z. See a. D. Rüdiger Kubalek eine ausführliche Beschreibung erhalten, die ich hier gern ungekürzt wiedergeben möchte:

„Vom 03.10.1990 – 31.03.1991 war ich im Rahmen der Wiedervereinigung/Zusammenführung bzw.Neuorganisation Streitkräfte bei der 6.Flottille der ehem. NVA/VM als Leiter der Unterstützungsgruppe eingesetzt. In der 6.Flottille waren die sog. „Stoßkräfte“ der VM zusammengefaßt, zu meiner Zeit noch TS-Boote der Shershen-Klasse, RS-Boote der Osa-Klasse, die ersten Boote der BALCOM-10 Klasse/Projekt-Nr.151 und die 5 Kleinen Raketenschiffe/Projekt 1241RÄ „Tatantul“ mit den Bordnummern 571 – 575. Flottillenchef war bis zu seiner Entlassung am 31.12.1990 der Kapitän zur See (VM) Werner Murzynowski, Nachfolger wurde mit 01.01.1991 bis zur Auflösung der Flottille und Abgabe der Liegenschaften der Fregattenkapitän (ex VM) Wolfgang Schwarzer ( vorher Stabschef der Fltlt.). Mein Nachfolger als Leiter der Unterstützungsgruppe war der Fragattenkapitän „Didi“ Bausch.

Von den Tarantuls sind nur die 572 Rudolf Eglhofer(1241/2) und die 575 Hans Eimler(1241/5) interessant. 571,573 und 574 wurden verschrottet.

DieTarantuls waren zum Zeitpunkt meines Dienstantrittes sowohl materiell als auch personell so gut wie nicht mehr fahrbereit bzw.einsatzfähig. Im Rahmen der sich abzeichnenden politischen Veränderungen waren von sowjetischer bzw. russischer Seite die Ersatzteil- und Materiallieferungen schon seit geraumer Zeit eingestellt worden. Die Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere o.P.waren so gut wie nicht mehr vorhanden, entlassen, weggelaufen, nicht mehr eingestellt. Die Flottille bestand praktisch nur noch aus Berufssoldaten, Unteroffizieren m.P. und Offizieren. Alle Anstrengungen in materieller und personeller Hinsicht konzentrierten sich auf die Herstellung der Fahrbereitschaft für eine Tarantul – nach dem das Interesse der US-Navy an der Übernahme einer Einheit offiziell wurde – und für ein Boot der Balcom-10-Klasse im Rahmen der Übernahme dieser Klasse durch den Bundesgrenzschutz See. Bezüglich Tarantul fiel die Entscheidung auf die 572 Rudolf Egelhofer, da diese Einheit den besten materiellen Zustand von allen Tarantuls aufwies, die anderen 4 Einheiten wurden „kannibalisiert“ bzw. als Ersatzteillager genutzt.Mit der Besatzung verhielt es sich ähnlich, sie setzte sich aus allen Einheiten zusammen. Kommandant war der Kapitänleutnan (ex VM) Andre Kuhfuß.Waffenmäßig war 572 nicht einsatzbereit. Munition und Raketen waren ausgelagert. Bei den Raketen getrennte Lagerung der Suchköpfe (P21 FM-Suchkopf, P22 IR-Suchkopf),der Raketen-Körper und der Flüssigkeits-Antriebsmittel – 2 Komponenten, höchst explosiv und aggressiv – auf dem Bug und in Tilzow.Mit 572 nahm ich im Zeitraum Okt. – Dez. 1990 an der Seeklarbesichtigung, einer Fahrt zusammen mit einer Einheit der Balcom-10-Klasse nach Flensburg,Olpenitz und Kiel und an der von Adm.Horten angeführten Fahrt um Kap Arcona /Königsstuhl teil. Okt. 1991  wurde 572 weiter unter Kptlt. Kuhfuß als P6166 Hiddensee von der Deutschen Marine übernommen und am 27. Nov.an die US-Navy übergeben. Soweit mir bekannt ist, fuhr Kptlt Kuhfuß mit einer 20 köpfigen Besatzung aus ehem.NVA/VM Besatzungsangehörigen in den USA eine Reihe von Versuchen bzw. Erprobungen für die US-Navy. 572 liegt heute im U.S.Marinemuseum in Fall River Nähe Boston.

575 Hans Beimler kam nach Peenemünde, da das dort im Entstehen befindliche Raketen- Museum Interesse an einer Tarantul angemeldet hatte. Ich vermute, daß der beste optische/äußere Zustand der Grund für die Wahl von 575 war.“

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